Verschiedene Treibertypen: welcher ist der Beste?

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TLDR:

Alle Arten von Treibern haben ihre Daseinsberechtigung, Vor- und Nachteile. Wie so oft kommt es darauf an, wie sie in der Praxis implementiert sind und welche Kopfhörer zu welchen Preisen für den Endkunden überhaupt zur Verfügung stehen.

Fangen wir also an.

Und zwar mit einem Geständnis: Ich bin zwar ausgebildeter Tontechniker, aber habe selbst noch keine Lautsprecher/Kopfhörer gebaut oder deren Einzelteile auf bestimmte Eigenschaften durchgemessen. Ich basiere meine Aussagen hier auf messbare, oder zumindest nachvollziehbare, Effekte in der Praxis. Messwerte sind von dritten Parteien, und währen aus meiner Sicht schon widerlegt worden, wenn sich eklatante Fehler darin finden würden.  Aussagen von Herstellern ohne weitere Quellen werden der Vollständigkeit halber erwähnt, aber nicht in Betracht gezogen.

Der dynamische Treiber

Das Brot und Butter der Audioindustrie. Bei Lautsprechern sieht man oft exotische Hochtöner wie Bändchen oder AMT, aber zumindest im Bass kommt man um den guten alten dynamischen Treiber nicht herum.

Die Funktionsweise ist stets die gleiche: Man nehme eine Membran, die am Rand und in der Mitte irgendwie stabilisiert werden muss, durch eine Spinne und einen Konus zum Beispiel, bringe dahinter einen Magnet an und sorge dafür, dass eine Drahtspule um diesen herumgewickelt ist. Stromzufuhr sorgt nun dafür, dass die Membran sich vorwärts und rückwärts bewegt.

Vorteile:

  • Der Vorteil von dynamischen Treibern ist, dass sie günstig sind - in Masse verfügbar, und die größten Hersteller von Kopfhörern wie Sennheiser und Focal setzen ausschließlich auf dynamische Treiber.
  • Ermöglichen eine leichte Bauweise: Die leichtesten Kopfhörer sind nach wie vor dynamische
  • Klang: Bei allen Kopfhörern, die damit gepriesen werden, dass die Mitten besonders natürlich sind, wie beim HD650, handelt es sich um dynamische Treiber aus „Biocellulose“ (Papier). Ob das dem Treibertyp geschuldet ist, oder ob wir alle nur so sehr den Klang von dynamischen Treibern gewohnt sind und ihn deshalb für natürlich halten, ist eine Henne-Ei-Frage, aber ich denke, wir würden unsere Standards verschieben, wenn ein anderer Treibertyp in dieser Eigenschaft überlegen wäre.

Nachteile:

  • Nachteil: Wenn man diese wirklich auf ein hohes Klangniveau bringen will, muss man doch wieder viel in Material Science investieren, ob man jetzt Biocellulose (Papier), Aluminium/Magnesium, Beryllium oder sonstwas verwenden möchte - Bei Selbstbauprojekten, wie sie zur Zeit aus dem 3D Drucker von Enthusiasten kommen, werden daher gerne planarmagnetische Treiber eingesetzt.
  • Klang: Dynamische Treiber haben klanglich nicht nur Vorteile - Der Nachteil ist, dass das Prinzip eine Balance finden muss zwischen Steife, Nachschwingverhalten und Druck - Eine zu große Membran, und es treten zu schnell Verzerrungen auf. Zu viel Hub, und es führt schlimmstenfalls zu Clipping und das Ein- und Ausschwingverhalten leidet - daher ist, egal welchen Kompromiss man fährt, der Tiefbass immer eine schwäche von offenen Kopfhörern mit dynamischen Treibern, siehe Frequenzgänge hier:

Sonstiges Eigenheiten:

  • Ein dynamischer Kopfhörer stellt auch für den Verstärker einen dynamischen, da Frequenzabhängigen Widerstand dar. Ein Röhrenverstärker kann daher bei dynamischen Kopfhörern den Frequenzgang verändern, und in den meisten Fällen eine Anhebung im Bass erzeugen. Sollte man mit Röhrenverstärkern experimentieren wollen, ist man bei anderen Treibertypen in der Auswahl eher eingeschränkt.

Planar:

Eine relativ neue Treibertechnologie, die den Markt aber relativ schnell im Sturm erobert hat. Man nehme eine große Membran, die gleichzeitig den Stromleiter trägt - keine Spule mehr, stattdessen windet sich eine Leiterbahn auf der Membran selbst von oben nach unten. Zur Treiberkontrolle gibt es immer ein paar Magnete hinter der Membran, manchmal auch davor.

Vorteile:

- Klang: Was beim dynamischen Kopfhörer ein Problem ist, ist der Bass - das ist hier absolut nicht der Fall:

Je nach Tuning kann man hier absolute Bassmoster erzeugen, obwohl es offene Kopfhörer sind. Das Tuning erfolgt unter anderem durch die Dicke der Membran selbst: Eine dickere Membran ist langsamer, da schwerer, aber kann ordentlich Druck im Bass erzeugen und hält wildesten EQ Experimenten fast verzerrungsfrei stand. Macht man die Membran etwas dünner, kann man im Hochtonbereich noch mehr Details herausholen, und der Bass wird dann auf dem Papier noch vorhanden, sprich linear ohne Abfall sein - aber eher ätherisch, nicht richtig Druckvoll.

Siehe hier:

(Hifiman Arya Organic)

  • Auch im Hochtonbereich hat der planarmagnetische Kopfhörer Vorteile, da die Membran schneller anspringen und wieder in den Ruhezustand kommen kann, als ein dynamischer. Beim Bass wie bei den höhen ist der Trick der, die Membran einfach riesig zu machen: Statt einen Kreis mit 4-5cm Durchmesser hat man einfach ein Rechteck mit 10-11cm Diagonale. Da holt man die Energie aus der Fläche, nicht aus dem Schwung.

Nachteile:

  • Die größere Membran und die Magnete, die zu deren Kontrolle nötig sind, sind eher groß und schwer. Man wird daher nie den leichtesten Kopfhörer der Welt mit einem Planaren Treiber bauen können, und kleinere Bauformen sind ebenfalls schwieriger.
  • Preis: Die günstigsten Planaren Kopfhörer liegen weit über dem, was man an günstigen, dynamischen Kopfhörern bekommen kann - auch wenn das im oberen Preissegment keine Rolle mehr spielt, denn für mehr als 500€ bekommt man in beiden Fällen äußerst kompetente Produkte.

Sonstige Eigenheiten:

  • Da planare Treiber grundsätzlich dünner als dynamische sind, sind sie in gewissem Maße auch empfindlicher. Frühere Audeze Modelle hatten das Problem, dass die Treiber gerissen sind, wenn man sie unter Druck gebracht hat - zum Beispiel durch das Lagern auf einem Omega-Kopfhörerständer. Es gab auch berichte von beschädigten Membranen, wenn sie in der Nähe von Baustellen gelagert wurden, von denen zu viel Staub herüberweht. Das scheint aber mittlerweile der Vergangenheit anzugehören.

Elektrostatisch:


Dieser Treibertyp ist schon so exotisch, dass es dafür online keine schöneren Schematiken gibt - man bringt ihn auch hauptsächlich mit Stax in Verbindung, obwohl Koss, Hifiman, sogar Sennheiser auch Elektrostaten im Programm haben und Shure sogar einen elektrostatischen In Ear anbietet.

Vorteile:

  • Klang: was den planaren Treiber auszeichnet, bringt der Elektrostat noch mal einen Schritt weiter: Eine noch dünnere und leichtere Membran, die sich noch schneller antreiben lässt, macht viele Elektrostaten zu absoluten Monstern in Sachen Auflösung und Höhenwiedergabe. Wer sich die Musik gern auf molekularer Ebene anhört, kommt an Elektrostaten nicht lange vorbei.

Siehe hier: Hifiman Jade II

Nachteile:

  • Klang: Dadurch, dass die Membran nochmals dünner ist als die von planaren Treibern, sind auch hier die meisten Vertreter eher schwach im Bass. Es gibt ausgewogene, ja sogar bassstarke Elektrostaten, aber für diese muss man sehr tief (meist fünfstellig) in die Tasche greifen. Siehe ebenfalls den Frequenzgang des Jade II.
  • Eigener Verstärker nötig: Da Elektrostaten mit einer eigenen Betriebsspannung arbeiten, möchten sie auch von einem eigenen Typ Verstärker angetrieben werden, der gemeinhin Energizer genannt wird. Diese sind dann zwar mit allen Elektrostaten kompatibel, aber ob sie klanglich zusammenpassen, ist eine andere Frage - außerdem braucht man in den meisten Fällen dann einen zweiten Verstärker für Planare oder dynamische Kopfhörer.
  • Preis: Dadurch, dass man für seinen ersten Elektrostaten auch immer einen Energizer braucht, treibt das den Preis zwangsläufig in die Höhe.

Hiermit wären sicher 99% des Marktes abgedeckt, aber es muss auch experimentiert werden, um den Klang und die Forschung voranzutreiben. Daher der Vollständigkeit halber:

AMT:

Air Motion Transformer, im Grunde eine ähnliche Idee wie die planarmagneten, mit einem Twist:

Es gibt immer noch einen Leiter, der durch die Membran geht, und dadurch so gesehen ein Bauteil bildet. Es gibt immer noch Permanentmagneten - aber die Membran ist gefaltet:

Statt jetzt nach vorne und hinten zu schwingen, faltet sich die Membran für jedes Signal auseinander und wieder zusammen, was eine noch größere Membranoberfläche mit sich bringt, die man auf kleinerem Raum unterbringen kann.  Die praktische Auswirkung ist Geschwindigkeit: Bei einer Vorwärts-Rückwärtsbewegung ist das Verhältnis von Bewegung zu erzeugtem Schalldruck und Geschwindigkeit 1:1. Beim AMT ist es 1:4, das sorgt für schnellere Transienten und einen hohen Wirkungsgrad.

Nachteil:

Nach allem was wir wissen, ist das Prinzip ein paar mal in Hochtönern von Lautsprechern verwendet worden. HEDD Audio hat mit den HEDDphone 1 & 2 ein proof of concept, dass damit auch das gesamte Frequenzspektrum abgedeckt werden kann, aber ob andere Hersteller dieses nicht verwenden weil es entweder patentiert ist, oder zu teuer oder zu schwer, kann man von außen nicht beurteilen. Bisher hängt das ganze Potential dieses Treibertyps also von einer Firma ab.

Bändchen:

Bändchen sind ähnlich den planaren Treibern, jedoch sind sie nur an 2 Enden verankert, und an den anderen beiden Seiten frei schwingend.

Bändchen sind aus meiner Sicht nochmals eine Ecke exotischer als AMT Treiber, da es mit Raal Requisite zwar einen etablierten Hersteller gibt, und diese Treiberart auch in Hochtönern von Lautsprechern eingesetzt wird - aber Raal hat auch mit einem Kopflautsprecher angefangen, der komplett offen war und aus Sicht vieler Enthusiasten noch einen externen Subwoofer benötigt hat, um das Erlebnis komplett zu machen.

Raal hat mittlerweile auch „normale“ offene Kopfhörer im Sortiment, aber diese stellen so einen geringen Widerstand dar (<1 Ohm!), dass sie eine Adapterbox brauchen, um überhaupt von normalen Verstärkern angetrieben werden zu können. Zitat: „A special interface in the form of a headphone stand has been developed for the new Immanis and Magna, which, together with a special cable (SATIS Copper or STAR-8 MKII Silver), enables connection to a “normal” headphone amplifier.“ Mal abgesehen davon, dass Raal der einzige Hersteller ist und der Startpreis für diese Technologie bei mehreren 1000€ liegt, erscheint mir das insgesamt wenig praxistauglich.

Fazit:

Ich möchte nicht dass dieser Artikel endet mit einem „besten Treibertypen“, sondern ich hoffe, hiermit einen guten Überblick gegeben zu haben und fasse daher die Kerneigenschaften der Treiber nochmal so zusammen:

Dynamisch: Natürlich im Klang, flexibel in der Verstärkung, robust in der Benutzung

Planar: Guter Kompromiss aus Alltagstauglichkeit zwischen elektrostatisch und dynamisch

Elektrostatisch: Das beste in Sachen Treiberkontrolle und Hochtonwiedergabe, auf Kosten der Flexibilität und des Anschaffungspreises

Gründer von Level Audio, ausgebildeter Tontechniker und seit jungen Jahren Hifi-Enthusiast und Freund des guten Klanges.

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